22. Juni 2015

Ballast

Wer hier regelmäßig mitliest, weiß, dass es nicht immer einfach war in den letzten Monaten. Mein Leben blieb nicht immer dort, wo ich es haben wollte, machte mir Striche durch meine Rechnungen, ließ sich nicht einfach fassen und leben, sondern schien sich gegen mich verschworen zu haben.
Oft fühlte ich mich wie jemand, der mitten im Ozean strampelt und strampelt und dabei vollkommen die Richtung verloren hat. Eigentlich bin ich eine gute Schwimmerin. Schließlich war ich mal Triathletin. Die Betonung liegt auf "war". Im realen Leben absolvierte ich meinen letzten Wettkampf, als mein Zweitgeborener 3 Jahre alt war. Das ist jetzt 19 Jahre her. Das Training stellte ich bald darauf auch ein. Gelaufen bin ich allerdings noch eine Weile länger, bis hin zum ersten und einzigen Marathon vor 12 Jahren. Seitdem wurde es mit der Bewegung immer weniger.
Aber auch bildlich gesprochen wurde ich immer träger. Ich war früher ein einziges Energiebündel. Habe andere mitgezogen, konnte andere motivieren, anspornen, von meiner Kraft abgeben. Seit Monaten war das nicht mehr so. Ich fühlte mich leer, ausgelaugt, kraftlos und - was noch viel schlimmer war - schrecklich mutlos. Denn das Schwimmen im Ozean meines Lebens fühlte sich an, als hätte mir jemand Bleigewichte an die Füße gebunden. Alles Strampeln half nichts, ich schluckte Salzwasser und das gleich literweise.
Und jedesmal, wenn ich etwas Auftrieb hatte, ist eine große Hand daher gekommen und hat mich wieder unter Wasser gedrückt. So jedenfalls fühlte es sich an in den letzten Jahren ... mein Leben.



Aber: Ich kann nicht nur gut schwimmen (eigentlich) - ich liebe auch das Meer. Und zwar vor allem das wilde, stürmische, nicht berechenbare Meer. Wäre also gelacht, wenn ausgerechnet das Meer, und sei es auch nur bildlich gesprochen, mich unterkriegen würde.
Was hilft, wenn man zu ertrinken droht? Ich griff nach jedem noch so kleinen Holzbalken, manchmal war es nur ein Strohhalm, der vorbei schwamm. Rettungsleinen in Form von Freunden, von Büchern, von Ärzten, von guten Ratschlägen, was sich in meine Nähe traute, wurde umklammert. Und so ganz allmählich kommt es zurück, das Selbstvertrauen in die eigenen Schwimmkünste.



Das Umstellen dieses Blogs auf fröhlichere Farben war ein erster Schritt. Jetzt gilt es, den Ballast loszuwerden, der sich in den letzten Jahren angesammelt hat. Gegen die Rückenschmerzen und einen komplett verspannten Nacken suche ich noch nach Hilfe. Für einen Yogakurs habe ich mich bereits angemeldet. Die Seele geht jetzt regelmäßig in einen Chor und blüht wieder auf. Den sichtbaren Ballast hier im Haus habe ich angefangen auszumisten. Kleiderschränke, Bücherregale, Küchenschränke.
Dem fühlbaren Ballast (okay, auch der ist sichtbar) von angesammelten 15 Kilo Übergewicht in den letzten Jahren habe ich ebenfalls den Kampf angesagt (und etwas verschämt ganz unten unter meinem Blog einen Gewichtsticker installiert, um mich selbst zu motivieren). Gestern war ich seit Monaten das erste Mal wieder laufen. Vermutlich hätte ich mit meinem Gestampfe bei Jurassic-Park als Statist eine Rolle bekommen, aber - hey - ich WAR LAUFEN! Und werde es heute wieder tun.

Und das Schreiben? Davon erzähle ich euch im nächsten Blogbeitrag. Nur so viel: es schreibt sich wieder. Und es fühlt sich verdammt gut an.




4 Kommentare:

Obers trifft Sahne hat gesagt…

Liebe Jutta, die fröhlicheren Farben sind mir sofort ins Auge gesprungen und ich hab gedacht . jawohl es geht aufwärts. Und ich habe mich für dich gefreut. Da einer deiner Strohhalme auch immer Weimar war/ist, würde ich mich freuen, dich bald mal wieder hier zu sehen. Herzliche Grüße - Petra

Jutta Wilke hat gesagt…

Liebe Petra,

Weimar steht ganz oben im Kalender. Noch ein Abgabetermin, zwei Schreibkurse und den Beginn der Sommerferien bei uns abwarten. Dann bin ich da :-)

Anonym hat gesagt…

Liebe Jutta,
das lese ich sooo gern! Weiterhin viel Erfolg mit dem "Ballast abwerfen" - der Zeitpunkt könnte nicht besser sein ... immerhin war eben grade die Sommersonnenwende. :-)
Ich schicke dir ganz, ganz liebe Grüße! Weiterhin viel Kraft und Mut und alles Gute!!!
Michaela

Raphael Skuza hat gesagt…

Liebe Jutta, ich finde deinen Text sehr beachtlich, vor allem weil der Ballast schon fast eine symbolische Bedeutung hat. Wir schleppen diesen teilweise nur wenige Tage mit, aber auch teilweise mehrere Jahre, so wie du es auch schön beschrieben hast. Doch man soll niemals die Hoffnung aufgeben, sein Ziel zu erreichen. Doch manchmal benötigt der Mensch diesen Ballast, um überhaupt Motivation zu erhalten. Ein Leben ohne Ballast wäre träger als ein Leben mit Ballast. :)
Mit freundlichen Grüßen
Raphael