Manchmal saß ich stundenlang vor der leeren Seite, wartete darauf, dass sich vom vielen Starren und Nachdenken allmählich Blutstropfen auf meiner Stirn bilden und kam keine Zeile weiter.
O mein Gott!, dachte ich. Jetzt hat sie dich endlich erwischt. Die grauenvolle Schreibblockade, die immer mal wieder durch die Diskussionen mit Kollegen geistert.
Schreibblockade? Das klingt fürchterlich. Das klingt nach wollen und nicht können. Oder nicht dürfen. Auf keinen Fall klingt es wie etwas, das man haben will.
Panik machte sich breit. Kann das wirklich sein? Kann es sein, dass ein paar persönliche Probleme oder Befindlichkeiten mein Seelenheil so sehr beeinflussen, dass ich meine Fähigkeit zu schreiben verloren habe? Wie lange wird es dauern, bis das wieder zurück kommt? Kommt es überhaupt je wieder zurück?
Ich habe angefangen, mich ein bisschen mit der Frage zu beschäftigen, was ist diese Schreibblockade überhaupt, von der wir alle reden? Gibt es sie? Wie sieht sie aus? Was kann man dagegen tun? Und wo ist sie schlicht eine Ausrede?
Ich fange mal mit dem Kollegen Kai Meyer an, weil er in diesem Zusammenhang so oft zitiert worden ist.
Kai Meyer glaubt nicht so recht an die klassische Schreibblockade. Wobei er ausdrücklich solche Blockaden ausschließt, die äußere Gründe haben, wie z.B. ein Trauerfall, eine schlimme Krankheit etc.
Kai Meyer wörtlich:
Was mir auf die Nerven geht, ist das Gejammer sogenannter „literarischer“ Autoren, bei denen es zum guten Ton gehört, mindestens einmal im Leben ausgiebig blockiert zu sein. Oft ist das die Angst vor dem zweiten Buch nach dem ersten Überraschungserfolg oder auch eine romantisierte Version von Faulheit.
(Quelle: http://www.kaimeyer.com/km/seiten/faq.html)
Ist eine Schreibblockade also eigentlich gar keine richtige Blockade, sondern schlicht Faulheit?
Fakt ist: Schreiben ist nicht immer so, wie sich der Aussenstehende das vielleicht vorstellt. Schreiben ist oft knallharte Arbeit. Da müssen mehrere hundert Seiten mit Text gefüllt werden, da müssen Geschichten gesponnen werden, oft bis in alle Einzelheiten, da muss recherchiert werden und an der Sprache gefeilt. Viele Kollegen sprechen schon von einer Schreibblockade, wenn sie bereits im Entwicklungsstadium einer Geschichte steckenbleiben. Das sog. Plotten kann Schweiß und Tränen kosten. Und tagelanges verzweifeltes Grübeln, wie die Story an diesem Punkt weitergehen soll. Aber ist das eine Schreibblockade? Oder ist das nicht viel mehr Teil unseres Jobs?
Ich plotte in der Regel sehr gründlich. Meine komplette Geschichte ist - lange bevor ich den ersten Satz schreibe - so ausgefeilt, dass ich jede Szene wie einen Film vor mir sehe. Dann macht das Schreiben Spaß, ich fange an und schreibe munter drauf los.
Und plötzlich - plötzlich komme ich an einen Punkt, an dem es nicht weiter geht. Ich weiß genau, was passieren soll, ich weiß genau, wie die Szene aussehen soll und trotzdem fällt mir kein einziger Satz dazu ein.
Ha! - denke ich - Schreibblockade!
Aber ist es das wirklich?
Oder bin ich einfach nur an einen Punkt gekommen, an dem ich merke, dass ich meinen Plot noch einmal überdenken muss. An dem irgendetwas nicht so passt, wie ich das gerne gehabt hätte. An einen Punkt, über den ich vielleicht damals bei meinen Vorüberlegungen zu großzügig hinweggegangen bin. Das rächt sich jetzt. Und ich muss zurück auf Los, muss mir meinen Plot nochmal gründlich vornehmen, noch einmal ganz genau diese Szenen durchspielen, durchdenken, evtl. neu strukturieren. Das nervt. Hält auf. Hält ab vom eigentlichen Schreiben.
Und weil es so nervt, versuche ich, mich davor zu drücken. In dem ich verzweifelt den nächsten Satz suche in der Hoffnung, dass sich danach der Knoten löst. Aber meistens funktioniert das nicht. Oder eben nur sehr schlecht, so dass man an dieser Stelle später immer wieder im Text stolpert.
Eine wirkliche Schreibblockade ist das nicht. Sondern schlicht Bequemlichkeit.
Es ist ein bisschen so, als ob man beim Kochen plötzlich merkt, dass man eine weitere Zutat hätte putzen und vorbereiten müssen. Jetzt steht man da, möchte so gerne weiterkochen, aber dieser Schritt zurück wäre eigentlich nötig, um das Gericht perfekt abzurunden. Ich kann jetzt stundenlang in den Kochtopf starren und drüber nachdenken, ob ich die fehlende Zutat irgendwie geschickt umgehen kann. Oder aber ich kann in dieser Zeit die blöden Zwiebeln noch schnell besorgen und hacken. Und danach befreit weiter kochen ;-)
Was sagen andere versierte Kollegen zur Schreibblockade?
Andreas Eschbach:
Nehmen Sie dieses Wort bitte gar nicht erst in Ihren Wortschatz auf, es richtet nur Schaden an. Es gibt keine Schreibblockaden, genauso wenig, wie es Taxifahrblockaden oder Kinder-unterricht-Blockaden gibt: Man hat mal einen schlechten Tag, oder man hat einfach nicht die Idee, was man tun soll, das ist alles.
(Quelle: http://www.andreaseschbach.de/schreiben/fragen/arbeit/arbeit.html)
Hm. Eiskalt erwischt.
Es kommt vielleicht nicht von ungefähr, dass ich immer dann, wenn ich das Gefühl habe, einer Schreibblockade zu erliegen, am liebsten aufspringen und das ganze Haus putzen würde, mir neue Sportpläne erstelle oder stundenlang bei Facebook surfe.
Ist meine Blockade also schlicht Unlust?
Sehr interessant ist hierzu auch die Diskussion des "Phantastischen Quartetts" .
Ann-Kathrin Karschnick, Thomas Plischke und Tom Finn diskutieren über den Begriff "Schreibblockade".
Ich zitiere mal Tom, dem der "Begriff Schreibblockade viel zu inflationär gebraucht wird."
Eine Geschichte muss man erfinden. Das ist unser Job.
(Quelle: Tom Finn in Q4 - Folge 7: Schreibblockade)
Und dass dieser Job immer leicht sein wird, hat uns niemand versprochen.
Ich komme für mich zu dem Schluss:
Eine wirkliche Schreibblockade gibt es nicht. Mit Ausnahme vielleicht medizinisch begründeter Blockaden.
Alles andere sind ganz normale Durchhänger, wie man sie in jedem anderen Beruf vermutlich auch hätte.
Der Nachteil (und gleichzeitig auch der Vorteil) beim Schreiben ist einfach der: Da muss man alleine durch. Man kann noch so lange auf das leere Blatt starren, irgendwann muss man nach einer anderen Lösung suchen. Also kann man das auch besser gleich machen.
Ein Freund und Kollege riet mir für diesen Fall einmal: Schreib einfach nur den nächsten Satz. Und dann schreib wieder einfach nur den nächsten Satz.
Wenn der Plot stimmt, funktioniert dieser Tipp. Auch wenn man sich total albern dabei vorkommt.
Stimmt der Plot nicht, weiß man ja im Grunde eh, was zu tun ist.
Da hilft nur, den inneren Schweinehund unter den Schreibtisch kicken und sich den Plot wieder vornehmen.
Oder sich eine Handvoll Leute organisieren (meine bevorzugte Variante),die einem das immer und immer wieder sagen:
Eine wirkliche Schreibblockade gibt es nicht. Los. Schreib!
Und ihr so??
7 Kommentare:
Das erinnert mich an James N. Frey, der sich vorstellte, was wohl der Maurer machen würde, hätte er eines Tages eine Mauer-Blockade.
'Tut mir leid Schatz, ich kann die Kelle einfach nicht mehr in die Hand nehmen, es geht nicht.'
An sich ist dieser Gedanke lächerlich. Trotzdem kann man Kreativität nicht einfach so aus sich herauspressen. Wenn es stockt, dann ist etwas nicht zu Ende gedacht oder der Autor hat Szenen-Angst. Das ist etwas, dass ich gut kenne. Wenn man sich aber durchgequält hat, dann kann es auch wieder fließen. Korrigieren lässt sich ja später immer noch.
Liebe Grüße
Nikola
Der Gedanke mit dem Mauerer ist gar nicht so lächerlich. Das kommt oft genug vor - und diese Leute landen dann in Umschulungen, weil sie arbeitsunfähig geworden sind.
Konsequenterweise müsste es der Autor dann eben genauso halten. vielleicht ist er in seinem Job als Erzähler und 2Maurer" von Geschichten nicht mehr glücklich. Ich kann esm ir für mich nicht vorstellen, aber das mag es, wie in jedem anderen Beruf auch, durchaus geben. vielleicht ist er, wenn er den Stift weglegt, ein viel besserer und glücklicherer Koch, Gärtner - oder Maurer.
Ansonsten halte ich es mit Terry Pratchett:
"There is no such thing as a writer's block. That term was invented by people in California, who couldn't write."
Und Jutta - erklär mir mal, warum ich an anderer Stelle eine wirklich lange Antwort schreibe. Kannst du mir nicht sagen, ich solle zuerst dein Blog lesen? Hätte ich mir dann alles sparen können ... *g*
Tom, an anderer Stelle stand aber ausdrücklich der Hinweis zu diesem Blog. Selbst Schuld, wenn du es erst hinterher liest ;-)
Aber sieh es doch so: So haben alle was davon. Die hinter den Mauern und die davor *gg*
LG
Jutta
Jutta, es mag auch Maurer geben, die frustriert die Kelle hinwerfen, weil jedes Mal, wenn sie mit einer endlich fertig sind, irgendwer angeseppelt kommt, und mit dem Kopf durchrennt. Dann macht das vermutlih echt keinen Spaß mehr. *fg*
Tja, dann sollen sie halt GUT SICHTBARE Türen einfügen, dann passiert das auch nicht, dass wer mit dem Kopf durch die Wand will. Mann.
Hallo,
Wow! Alle Achtung, dann bin ich ja meist mit meiner "winzigen" Schreibblockade ja wenigstens nicht alleine. Naja wenn man das als Schreibblockade bei mir bezeichnen kann. Nun denn drücke die Daumen das doch alles klappt.
Liebe Grüße
Liebe Jutta,
genau so ist es. Oft ist man blockiert, wenn man an dem Punkt ankommt, bei dem man nicht wahrhaben will, dass der Plot nicht stimmt. Ich habe in meinem Blog ja eine ganze Serie für Tricks gegen Schreibblockaden veröffentlicht, allerdings sehe ich diese Form der "Blockade" eher als Erste Hilfe für das tägliche grundsätzliche Nicht-anfangen-Können, das manche Menschen mehr (mich *g*) und manche Menschen weniger trifft. Bzw taugt es auch für die Phase, in der ein Autor noch nicht genau weiß, wohin mit der Geschichte, denn z.B. beim Speedwriting treten Gedanken zutage, von denen man vorher gar nicht wusste, dass man sie hat. Eigentlich müsste man für all diese Dinge einen anderen Namen erfinden, aber "Schreibblockade" hat sich etabliert, und danach wird auch gegoogelt ;-)
Wenn ich wirklich mal so gar nicht schreiben will, ist es tatsächlich echte Unlust. Und auch das muss man aushalten können. Oder ignorieren. Und wieder ran an die Tasten :-)
Liebe Grüße
Petra
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