29. Juni 2014

Abi 1982 - Abi 2014

Heute habe ich eine Abi-Rede gehalten. Die zweite in meinem Leben.
Als ehemalige Schülerin meiner alten Schule wurde ich gefragt, ob ich nicht die Festrede zur heutigen Feier halten wollte. Ich wollte! Und hatte im Vorfeld sehr viel Spaß beim Schreiben meiner Rede. Manchmal überkam mich Panik, ob ich den Schulabgängern wirklich noch etwas Neues und Wichtiges zu sagen hätte. Aber ich hätte wohl meinen Beruf als Jugendbuchautorin verfehlt, wenn mir zu diesem Thema nichts eingefallen wäre.
Was ich heute auf der akademischen Feier der Hohen Landesschule Hola gesagt habe, könnt Ihr hier nachlesen:


Introite, nam et hic Dii sunt!
Keine Angst, ich halte meine Rede in Deutsch. Und ich frage jetzt auch nicht, wer von Euch Latein hatte und das mal eben flugs übersetzen kann.

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten, liebe Eltern, Freunde und Verwandte, liebe Hola-Lehrer und liebe Gäste!
Dieses ist meine zweite Abiturrede. Die erste hielt ich vor 32 Jahren. Danach dachte ich erleichtert Nie wieder Abitur. Nie wieder Abi-Rede. Nun gut, Letzteres hat jetzt nicht ganz so funktioniert.

Damals war die Sachlage klar.
Als Schulsprecherin der  Hola wurde ich 1982 quasi zwangsverpflichtet, die Abiturrede zu halten.
Außerdem waren meine Mitschüler der Meinung, dass mich meine Schauspielerfahrung in der Theatergruppe dazu befähigte, unbefangen vor rund 1000 Menschen zu treten und eine Rede zu halten. Dabei hatte ich damals kaum Text und stand mehr so dekorativ hier oben auf der Bühne rum. Aber dazu später.

Ja, auch ich war  Mitglied der legendären Theatergruppe  Hola.
Und wenn einige ältere Jahrgänge in diesem Saal jetzt in Erinnerung an die Aufführung des Jahres 1981 blass werden, muss ich das den Jüngeren unter euch erklären:
1981 spielte die Theatergruppe Hola Schillers Wilhelm Tell.
Diese Aufführung in einer Bearbeitung von Erland Schneck (den Doppelnamen hat er sich erst später zugelegt)  schaffte es auf die Titelseite sämtlicher lokaler Zeitungen.

Und das alleine deshalb, weil sich nach 24 Uhr erst besorgte, später wütende Eltern vor den Toren dieses Hauses drängten, um ihre schauspielernden Kinder abzuholen. Nur: Die Kinder kamen nicht raus. Was die Eltern draußen nicht wussten: Die Darsteller drinnen waren gerade erst beim Rütlischwur angekommen, und das Stück sollte sich noch bis in die frühen Morgenstunden hinziehen. Es war ein Mammutwerk! Ich glaube, seit dieser Erfahrung hatte auch Herr Schneck eingesehen, dass man ein Stück mindestens einmal durchspielen sollte, bevor man es zur Aufführung bringt.

Ja, der Wilhelm Tell hatte einige dramaturgisch wohldurchdachte Längen. Keine Angst – heute mache ich das wieder gut. Ich habe meine Rede vorsichtshalber zu Hause mit Blick auf die Uhr schon einmal komplett gelesen. Und danach kräftig gekürzt. Auch wenn man das jetzt vielleicht nicht so merkt.

Auch den Striptease, den ich vor über 30 Jahren im Tell als Habsburgerin Berta von Bruneck zu den Klängen der Beatles auf dieser Bühne hier hingelegt habe, erspare ich Euch heute.

Man kann Emotionen anderer  ja spüren, wusstet Ihr das? Eben waberte ganz eindeutig kollektive Erleichterung hier nach oben. Ganz ehrlich? Ich bin auch erleichtert.

Der wahre Sinn dieses Striptease einer Adligen in einem Schillerdrama hat sich mir nämlich bis heute noch nicht völlig erschlossen, aber der Erfolg gab Erland Schneck Recht und mein Abitur habe ich damals  trotz Striptease bekommen. Plus dem Privileg, die Abi-Rede zu halten.

Als ich gebeten worden bin, die heutige Rede zu halten, habe ich kurz gezögert.
„Warum ich?“, habe ich gefragt. „Was soll ich da um Himmels Willen erzählen?“
„Erzählen Sie ein bisschen aus Ihrer Schulzeit!“, empfahl mir Herr Dr. Liesemann.  Aus meiner Schulzeit? Ich könnte euch von dem Mathelehrer erzählen, der immer mit Kreide nach uns warf und dazu brüllte: „Das integriert mich überhaupt nicht!“
Kreide? Was das ist? Also eigentlich zum Schreiben auf der Tafel … Tafel? Ach so, auf interaktiven Whiteboards schreibt man nicht mehr mit Kreide. Vermutlich heißt das heute auch nicht mehr Tafeldienst, oder? Und die Ausrede: Ich bin zu spät, weil vor dem Vertretungsplan so viele Leute standen und ich dann den Raum nicht richtig lesen konnte, gilt wohl auch nicht mehr, wenn man den Vertretungsplan schon am Tag vorher per App checken kann. Ich könnte Euch erzählen, wie wir nach einem Vormittag voller Einträge unser Klassenbuch versteckt haben. Das Klassenbuch tauchte dann zum 20 jährigen Abi-Treffen wieder auf. Euch kann ich es ja heute sagen: Wir hatten eine der Deckenkassetten im Klassenzimmer angehoben und es sozusagen über der Zimmerdecke versteckt. Und da lag es dann über zwanzig Jahre.

Das mit den Deckenkassetten würde heute noch funktionieren. Die wurden noch nie ausgetauscht. Aber digitale Klassenbucheinträge lassen sich nicht ganz so leicht verstecken, zugegeben.

Ihr seht, auf diesem Weg kommen wir nur schwer zueinander.

Was gibt es aber, das ich euch sonst heute sagen oder mit auf den Weg geben könnte, das euch nicht schon hundert Mal gesagt worden ist? Und was könnte ich anderes sagen, als das, was ich schon vor 32 Jahren gesagt habe.
Als Schülerin habe ich über Traditionen gesprochen. Traditionen, denen die Hohe Landesschule – schon der Name verrät es – fest verhaftet war und sicher auch noch ist. Traditionen, die aus Sicht einer damals 19 jährigen Abiturientin aber durchaus kritisch betrachtet und hinterfragt werden sollten, bevor man sie völlig unreflektiert übernimmt.

Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt:
Tradition bezeichnet eine (politische oder Geistes)Haltung, die am Herkömmlichen, Gewohnten, Überlieferten festhält und Neuerungen eher skeptisch gegenübersteht.

Versteht mich bitte nicht falsch. Traditionen können etwas Wunderbares sein. Sie können uns Halt geben, oft auch eine Richtung, und sie fangen uns auf, wenn wir mal den Boden unter den Füßen verlieren.
Aber Traditionen können auch zu Fesseln werden, die uns einschränken, uns die Luft zum  Atmen nehmen und uns Wege verbauen. Manchmal muss man mit Traditionen brechen, um neue Wege gehen zu können.

Einen solchen neuen Weg beschritt Ende des 19. Jahrhunderts Rahel Goitein-Strauss, die als eines der ersten Mädchen in Deutschland  ihr Abitur ablegte und damals die Abiturrede hielt. Ihre Rede begann Rahel mit einem Zitat. Mit einem Zitat, das einst Lessing seinem Nathan vorangestellt hat:

Introite, nam et hic Dii sunt!  Tretet ein, denn auch hier sind Götter!

Oder anders gesagt: Geht auch mal einen neuen Weg!  Denn auch dieser kann göttlich sein.

Die Abiturientin Rahel ging einen neuen Weg. Als Mädchen das Abitur zu machen- für uns heute so selbstverständlich - , das war damals wirklich ein Bruch mit althergebrachten Traditionen.

Und das sagte Rahel in ihrer Rede selbst dazu:
„Vor allem war es die Lust am Lernen, am Wissen, das uns diesen Weg gewiesen. Wir wollten nicht nur lernen, um von vielen Dingen eine Ahnung zu haben, um bei allem mitreden zu können, wir wollten lernen, wie man lernt, wie man durch das Wissen selbstständig wird und innerlich fest, damit wir uns eigene Ansichten, eigene Gedanken bilden könnten, damit wir befähigt werden von dieser Grundlage des Gelernten aus, uns selbst weiter vorwärts zu bringen.“

… damit wir uns eigene Ansichten, eigene Gedanken bilden könnten …  der Antrieb eines Mädchens 1899, das Abitur zu machen.

Wie oft habt Ihr euch während der vergangenen Jahre gefragt: Wozu brauche ich das alles überhaupt im Leben?

Für manche von euch war und blieb die richtige Anwendung des Plusquamperfekts immer ein Geheimnis, andere scheiterten an den binomischen Formeln, wieder andere fragten sich, welchen Nutzen sie jemals aus der Differentialrechnung ziehen sollten. Ganz ehrlich – besonders letzteres habe ich mich auch gefragt.

Wozu also brauchen wir all das Wissen, das wir in den vergangenen Jahren angehäuft haben?  ..  damit wir uns eigene Ansichten, eigenen Gedanken bilden könnten …

Eigene Ansichten, eigene Gedanken bilden.

Ich verdanke diese Fähigkeit vor allem zwei Lehrern, die mich durch meine Hola-Zeit begleitet haben.
Zum einen meinem Tutor im Latein-Leistungskurs Werner Frühauf, der mir bis heute ein echter Wegbegleiter geblieben ist und zum anderen meinem leider viel zu früh verstorbenen Deutschleistungskurs-Lehrer Christian Scholz, dem ich letztendlich auch meine Begeisterung für das geschriebene Wort und die Literatur verdanke.

Herr Scholz, ich hoffe, Sie sitzen da oben irgendwo auf einer Wolke und hören mir zu. Und ich hoffe, Sie sind ein kleines bisschen stolz darauf, dass ich irgendwann  tatsächlich noch die Kurve gekriegt habe und heute das mache, was Sie mir vor über dreißig Jahren fast flehentlich unter eine Deutscharbeit geschrieben haben
Schreiben Sie! Bitte schreiben Sie weiter.
Dass ich heute tatsächlich Autorin bin, verdanke ich vor allem Ihnen. Danke für alles, was ich bei Ihnen beiden gelernt habe.

Bei beiden Lehrern habe ich aber das Wichtigste überhaupt gelernt: Ich lernte, Fragen zu stellen. Und damit meine ich jetzt nicht Fragen von der Art „Wo ist das Prädikat?“ oder „Wenn das die Erste Person Plural Indikativ Aktiv ist, was kann dann nur das Subjekt sein?“.
Und ich meine damit auch nicht die Frage: „Was will der Autor uns damit sagen?“

(Kleine Zwischenbemerkung: Seit ich Autorin bin, weiß ich, dass der Autor oft selbst überrascht ist von dem, was er angeblich alles mit seinem Text sagen will)

Nein,  sie lehrten mich, dass es wichtig ist, im Leben die richtigen Fragen zu stellen.
Wie die meisten von Euch inzwischen mitbekommen haben, arbeite ich heute als Kinder –und Jugendbuchautorin.
Das war nicht immer so.
Als ich kürzlich anlässlich einer Autorenlesung in der Mittelstufe die Schüler fragte, was sie denn schon über mich wissen, kam allerlei zusammen.
Das ist übrigens immer der Moment, in dem ich Dankesgebete zum Himmel schicke, dass es zur Zeit meines Rütli-Schwur-Strips auf dieser Bühne noch kein Internet und kein Facebook gab.
Heute gibt es ja fast keine Geheimnisse mehr. Und so wusste eine 13jährige dank Google sogar, dass ich einmal eine Robbe hatte.
Und wie das im Internetzeitalter so ist – damit wusste sie mehr als ich.
Trotz meiner Einwände, bei uns zu Hause tummelten sich nur fünf Kinder, drei Kater und ein Hamster, und Robben fühlten sich bekanntlich gar nicht so wohl in Hanau, blieb das Kind steif und fest bei seiner Meinung.
So steht’s im Internet und was im Internet steht, ist wahr.
Die Hanauer Kinder- und Jugendbuchautorin Jutta Wilke hatte einmal eine Robbe.
Und die hast du dann, fügte das Kind mit strenger Stimme hinzu, an den Nagel gehängt!
Himmel! Ich hänge doch keine Robben an Nägel!
Ich sah die Schlagzeile bereits vor mir Scheinbar harmlose Kinderbuchautorin schlachtet zu Hause Robben ab!

Nur ganz langsam dämmerte mir, dass es um diesen einen Satz in meiner Biografie ging:
Sie war 12 Jahre lang Rechtsanwältin in Hanau, bevor sie ihre ROBE an den Nagel hängte.
Was lernen wir daraus?

1. Nicht alles, was Mister Zuckerberg und Co. verbreiten, ist falsch. Aber man sollte es gründlich lesen und hinterfragen und man sollte Rechtschreibung beherrschen, bevor man es weiterverbreitet.

2. Ich habe nach dem Abitur Jura studiert und tatsächlich 12 Jahre lang als Rechtsanwältin gearbeitet, bevor ich mich entschloss, meine ROBE an den Nagel zu hängen, um Kinder- und Jugendbücher zu schreiben.
Letzteres gehörte ursprünglich nicht zu meinem Lebensplan. Ich habe Jura studiert, um die Anwaltskanzlei meines Vaters hier in Hanau zu übernehmen. Diesem Plan bin ich nach Abschluss meines Studiums auch etwa 12 Jahre lang gefolgt. Und wurde von Jahr zu Jahr unglücklicher. Nicht, weil es so falsch ist, Rechtsanwältin zu sein. Alle potentiellen Juristen hier im Saal lassen sich jetzt bitte nicht abschrecken! Sondern weil es sich für mich so falsch anfühlte. Ich wollte Geschichten schreiben. Schon immer. Aber ich brauchte fast vierzig Jahre meines Lebens dazu, den Mut zu finden, das auch zu meinem Beruf zu machen.
Manchmal muss man auch mal mit Traditionen brechen und eigene Wege gehen.

Und das dritte, das wir aus der kleinen Geschichte mit der Robbe lernen Es ist nie zu spät, neue Wege einzuschlagen. Ich war bereits 45, als mein erster Roman erschien. Aber ich hatte es geschafft!

Werdet deshalb bitte nicht nervös, wenn ihr heute noch nicht wisst, wie es morgen weitergehen soll. An jeder Weggabelung tun sich neue Wege auf.
Die meisten Schulabgänger sind heute darum bemüht, ihren Lebenslauf lückenlos zu halten und bloß keine Zeit zu verlieren. Vom Abi zur Uni zur Unternehmensberatung und direkt ab in den Aufsichtsrat. Das kann so funktionieren. Muss es aber nicht. Mein etwas holpriger Lebenslauf sollte euch zeigen, dass es auch anders geht. Und dass es deswegen nicht falsch ist, Umwege zu gehen.
Schon eure Wege hier in diesen Saal waren vollkommen unterschiedlich. Einige von euch haben schon in den Weihnachtsferien begonnen, ihre in den Herbstferien vorstrukturierten Unterlagen durchzuarbeiten, andere haben im Februar angefangen zu überlegen, ob sie überhaupt fürs Abi lernen sollen und wenn ja, was. Wieder andere wussten noch im Prüfungsraum nicht wirklich, was sie überhaupt hier machen. Heute sitzt ihr alle hier. Man kann nicht darüber urteilen, welcher Weg der bessere war, wenn letztendlich alle Wege zum Ziel geführt haben.

Es hilft auch nicht, die Wege anderer zu kopieren, nur weil sie für andere zum Erfolg geführt haben. Jeder von euch muss seinen eigenen Weg finden und gehen. Und es ist keine Schande, innezuhalten, nachzudenken oder auch einmal umzukehren, um einen anderen Weg auszuprobieren.

Der Sinn des Lebens ist es nicht, möglichst schnell zum Ziel zu kommen. Der Sinn des Lebens ist es zu leben!

Unzählige Möglichkeiten liegen vor euch. Unzählige Wege, die gegangen, unzählige Türen, die geöffnet werden können. Und über jeder Tür wird dieses Zitat stehen: Tretet ein, denn auch hier sind Götter.

Durch eine Tür seid ihr heute alle gegangen. Durch das alte ehrwürdige Hola-Tor.
Und ich persönlich glaube nicht, dass das stimmt, was ich anlässlich eurer Abi-Challenge 2014 auf Youtube gefunden habe:
Jetzt steh ich hier vorm Hola-Tor und bin so klug als wie zuvor.

Ihr seid durch dieses Tor gegangen, weil ihr viel gelernt habt. Ihr habt gelernt, mit komplexen Zahlen umzugehen oder die Strukturformeln jedes am Calvin-Zyklus beteiligten Stoffes zu zeichnen. Ihr habt gelernt, wie man einen ACI übersetzt und was die Märchentheorie Novalis‘ von der Horkheimers unterscheidet. Und ihr habt gelernt, Fragen zu stellen.

Tut das weiter! Stellt Fragen! Hinterfragt!
Fragt nicht nur nach der Aufstiegsmöglichkeit oder nach der Höhe des Gehalts.
Fragt nach dem Sinn. Fragt nach dem Weg. Befragt Euer Gewissen. Wer fragt, bekommt Antworten. Nicht immer die, die er hören will – Eure Lehrer können ein Lied davon singen – aber in der Regel werden Fragen doch beantwortet.
Geht den Dingen auf den Grund, damit ihr nicht  zugrunde geht. Bleibt neugierig, aufgeschlossen, aber auch skeptisch.
Immer mehr Menschen folgen doch heute dem Mottto: Warum soll ich mir meine Bequemlichkeit durch Fragen durcheinander bringen lassen? Immer mehr Menschen konsumieren nur noch, statt zu handeln.
Tut mir den Gefallen und gehört nicht zu diesen Menschen. Fragt! Bleibt unbequem!

Ich hörte früher oft den Vorwurf: Du musst immer aus der Reihe tanzen!

Ja, kann ich dazu nur sagen und euch bitten, das gleiche zu tun. Reiht euch nicht ein. Lasst euch nicht ewig mitziehen im Strom derer, die keine Fragen mehr stellen und alles hinnehmen, als sei das, was um uns herum geschieht, nicht von Menschen gemacht, sondern ein Naturgesetz. Tanzt aus der Reihe, statt zum Mitläufer zu werden. Liegt nicht träge vor euren Monitoren und lasst euch einlullen, bis ihr zu keinem eigenen Gedanken mehr fähig seid! Denkt! Stellt Fragen! Und vor allem:Tanzt!

Und wenn ihr in eurem Leben an einen Punkt kommt, an dem ihr überhaupt nicht weiter wisst, an dem euch auch eure bisherigen Fragen nicht weiterhelfen, dann hilft euch vielleicht die Frage, die einer gestellt hat, der gerade sein Todesurteil erhalten hatte.

Wenn ich morgen stürbe, würde ich dann tun, was ich heute tue?

Ich habe heute ein paar Seitenhiebe auf das Internet, technische Neuerungen, Facebook und Co. ausgeteilt. Es ist nur fair, wenn ich meine Rede deshalb mit den Worten des Mannes beschließe, dem wir einige von diesen Neuerungen zu verdanken haben.
Ich bin kein Apple-Fan. Gar nicht. Ich besitze nichts von diesen Dingen mit einem EI davor.
Trotzdem ist mir die Rede des Apple-Mitbegründers Steve Jobs, die er im Bewusstsein seiner Krebserkrankung  vor Studenten hielt, unter die Haut gegangen. Und ich möchte seine Worte heute an euch weitergeben:

„Als ich 17 war, las ich ein Zitat, das ungefähr so klang: Wenn du jeden Tag so lebst, als wäre es dein letzter, wird es höchstwahrscheinlich irgendwann richtig sein. Das hat mich beeindruckt und seit damals habe ich jeden Morgen in den Spiegel geschaut und mich selbst gefragt: Wenn heute der letzte Tag in meinem Leben wäre, würde ich das tun, was ich mir heute vorgenommen habe zu tun? Wenn ich morgen stürbe, würde ich dann tun, was ich heute tue? Und jedes Mal, wenn die Antwort „nein“ war, wusste ich, ich muss etwas verändern.
Eure Zeit ist begrenzt, also verbraucht sie nicht, um das Leben anderer zu leben. Lasst euch nicht von Dogmen anderer gefangen nehmen, davon, so zu leben, wie andere Menschen denken. Lasst nicht den Krach anderer Meinungen die eigene innere Stimme übertönen.
Und das Allerwichtigste, habt den Mut, eurem eigenen Herzen und der Intuition zu folgen. Die wissen irgendwie schon genau, was ihr wirklich wollt. Alles andere ist zweitrangig! Bleibt hungrig und töricht!
(Steve Jobs, fünf Jahre vor seinem Tod.)

Fragt! Stellt in Frage! Bleibt hungrig und töricht! Und tanzt aus der Reihe!
Und wenn euch eine Tür verschlossen bleibt, öffnet eine andere
Introite, nam et hic Dii sunt!
Tretet ein, denn auch hier sind Götter!

28. Juni 2014

Und weiter geht's

Das Wappentier meiner Heimatstadt ist der Schwan.



Seit ein paar Wochen wissen wir, dass "unser" Schwanenpaar auf der Kinzig dafür gesorgt hat, dass das Wappentier in Hanau nicht ausstirbt.

Heute Morgen hatte ich eine hautnahe Begegnung mit dem flauschigen Nachwuchs, der sich erst mutig vor mein Fahrrad stellte, dann aber doch lieber wieder seitlich in die Büsche und anschließend ins kühle Nass schlug.








Irgendwie ist es beruhigend zu sehen, dass das Leben so kuschelig weiter gehen kann.

26. Juni 2014

Manchmal kommt es anders ...

... eigentlich sollte hier ein Beitrag über meine neuesten Pläne (ich sag nur LiteraTour) stehen.
Die Website dazu ist gebaut, die Pläne sind geschmiedet, Ideen sind massenweise vorhanden und warten auf ihre Umsetzung.
Daneben befand sich mein Nachfolgeroman für "Tanjas BH" im Endspurt, der Verlag steht in den Startlöchern und ich suchte neue witzige Herausforderungen für meine Protagonisten.
Aber dann wurde mein Mittlerer krank. Er liegt jetzt seit Montag im Krankenhaus und meine Tage verbringe ich zwischen Kinderstation und Zuhause, wo ja auch noch ein paar Kinder auf mich warten. Mein neuester Schreibplatz ist ein Krankenzimmer, im Hintergrund flimmern Zahlen über Monitore, die mich sehr an die Anfangsszene aus "Schwarz wie Schnee" erinnern. Mein Kind hängt an Kabeln und Schläuchen, aber keine Sorge, so schlecht wie Kira in meinem Roman geht es ihm nicht, die Geräte dienen nur der Überwachung und der Medikation. Trotzdem ist unser Alltag derzeit etwas auf den Kopf gestellt und Dinge, die vorher noch unendlich wichtig schienen, rücken plötzlich in den Hintergrund. Prioritäten verschieben sich. Und manchmal ist das ganz gut so ...

23. Juni 2014

Sommer-Sonderangebot

Seit einiger Zeit gebe ich ja nicht nur Kurse im kreativen Schreiben für Kinder, sondern biete auch Online-Kurse für Erwachsene an.
Am Wochenende fragte mich eine Freundin, ob sie denn auch einen Schreibkurs im Sommer buchen könne.
Ja klar, warum denn nicht?
Ach, ich dachte, wegen Ferien, Urlaub und so ... war ihre Antwort.

Also ich persönlich finde ja, gerade der Sommer eignet sich hervorragend zum Schreiben. In keiner anderen Jahreszeit gibt es so herrliche Schreibplätze in der Natur, in Cafes oder auch im eigenen Garten.
Deshalb habe ich mir für alle Sommerschreibwütigen ein ganz besonderes Angebot ausgedacht:

Jeder, der meinen Online-Kurs für Erwachsene noch im Juni bucht, erhält diesen Kurs zum halben Preis!
Es lohnt sich also tatsächlich, diesen Sommer dem kreativen Schreiben zu widmen.

Wer sich anmelden möchte, sollte sich allerdings beeilen, weil nur noch wenige Plätze frei sind.
Ich freue mich auf Euch!

Zur Anmeldung geht es ---> HIER



19. Juni 2014

Mittsommernächte

Erinnert ihr euch an den Apfelbaum?
Wir haben ihn schon wieder besucht. Diesmal allerdings mit Zelt und Gaskocher im Gepäck. Wir wollten einfach eine der hellsten Nächte in diesem Jahr einmal so richtig auskosten.
Noch nie haben ganz gewöhnliche Dosenravioli so gut geschmeckt ☺




Bei unserer Nachtwanderung begleitete uns ein Hirschkäferweibchen, das sich gar nicht mehr trennen wollte.



Wir spielten MauMau, lasen Harry Potter, tranken Rotwein aus Kaffeetassen (okay, die Kinder tranken Limonade), fanden Eulenfedern, kitzelten uns mit langen Grashalmen, erzählten uns Gruselgeschichten im Zelt, fanden Wildschweinspuren in getrockneten Pfützen, putzten unsere Zähne unter dem Apfelbaum, fütterten Ziegen, wurden von Vogelgezwitscher geweckt, liefen barfuß im taunassen Gras, pflückten Kirschen und hatten es einfach nur gut.
So schön fühlt sich Sommer an ...





17. Juni 2014

Krimi-Kids

Nur noch zwei Wochen, dann geht auch unsere zweite Schreibwerkstatt für Kinder schon wieder zu Ende. Zur Zeit arbeiten wir an einem Krimi. Die beteiligten Personen haben wir letzte Woche in Partnerarbeiten entwickelt, jetzt habe ich die Daten schnell auf Karteikarten gedruckt, damit jeder sie heute zur Hand hat.
Es wird eine Entführung geben. So viel steht schon fest. Wer von wem entführt wird und wer das Ganze aufklärt, entscheiden die Kinder selbst.
Es bleibt spannend. Wird das Opfer Herbert sein, der 40 jährige Briefträger, der ausschließlich Fahrrad fährt und immer einen Strohhut trägt?
Oder wird Jannis entführt, der achtjährige Enkel von Hildegard? Jannis kann nicht sprechen, wie soll er da um Hilfe rufen? Vielleicht ist aber auch Hildegard das Opfer, die sehr dynamische Oma, die immer "voll die modernen Klamotten" trägt. Oder Cornelia, die 21 jährige Musicaldarstellerin.
Kann man einen Hund entführen? Der Hund ist ein Husky und heißt praktischerweise einfach "Hund".
Ich bin ehrlich gespannt. Und wer ist der Entführer? Und warum? Hat Hildegard ihren eigenen Enkel entführt, um Lösegeld zu erpressen, damit sie ihre Rente aufstocken kann? Oder wollte Herbert einfach nur ein Stelldichein mit der Musicaldarstellerin? Jannis ist irgendwie außen vor... oder ... wurde "Hund" von dem stummen Jungen entführt, weil er sich schon immer einen gewünscht hat?
Heute nachmittag werden zehn Geschichten entstehen ... und ich bin mehr als gespannt, wer den Fall aufklären wird.
Mein persönlicher Tipp ist Herbert. So ein Briefträger mit Strohhut kommt viel rum. Und bestimmt hat er Hildegard schon lange in Verdacht ... oder war sie doch das Opfer?


16. Juni 2014

Tausend Ideen

Meinen Schreibplatz unter den Bäumen auf unserer Streuobstwiese habe ich Euch schon einmal vorgestellt.




So schön rot sind die Äpfel jetzt natürlich noch nicht, das Foto ist vom letzten Herbst, dafür sind im Moment die Kirschen reif und auch die Pflaumen- und Mirabellenbäume lassen auf eine reiche Ernte hoffen.
Gestern zog uns das wunderschöne Frühsommerwetter unter die Bäume und wir haben fast den ganzen Sonntag dort verbracht. Ein Korb mit Frühstück, Kaffee, ein paar Decken und natürlich das obligatorische Notizbuch. Und schon sprudelten die Ideen ...

Ein paar davon muss ich jetzt schnell zu Papier bringen, für eine weitere Idee habe ich hier im Blog bereits eine neue Seite eingerichtet ... mehr davon erzähle ich Euch demnächst. Eins steht jedenfalls schon mal fest: Es ist die verrückteste Idee, die wir je hatten. Aber allein der Gedanke daran macht schon so gute Laune, dass ich es kaum abwarten kann, die Seite hier im Blog zu füllen.
Vorher ist aber Schreibzeit. Schließlich wollen ja auch noch ein paar Bücher geschrieben werden.
Nebenbei muss ich meinen Kinderschreibkurs für morgen noch vorbereiten und am Wochenende wollten wir eigentlich Sonnwende feiern.
In diesem Sinne - Euch allen einen fröhlichen Start in die letzte Frühlingswoche!


4. Juni 2014

Bücher schreiben kann man lernen

Seit ich meinen ersten Roman veröffentlicht habe, bekomme ich immer wieder Zuschriften von Menschen, die ebenfalls gerne schreiben und mich um Rat fragen.
Nach Lesungen werde ich angesprochen, und nicht selten werden mir ganze Manuskripte überreicht mit der Bitte, sie doch einmal durchzusehen.

Ich hatte während der Arbeit an meinem ersten Roman das große Glück, einem wunderbaren Kollegen zu begegnen, der sich meiner als Coach annahm und mir viele Monate lang in aller Freundschaft mit Rat und Tat zur Seite stand.
Jetzt ist es an der Zeit, das, was ich gelernt habe, an andere weiterzugeben.

Denn schreiben kann man lernen.
Genauso wie man Klavierspielen oder Tanzen lernen kann.
Natürlich braucht man dazu auch Freude am Schreiben und eine Portion Talent.
Aber das alleine genügt nicht.

Niemand wird annehmen, dass ein Konzertpianist einzig mit Talent und Freude ausgestattet die Bühne betritt. Jeder weiß, dass dem Konzert jahrelanger Unterricht, tägliches stundenlanges Üben und sehr viel Schweiß und vielleicht auch Tränen vorausgegangen sind. Aber der Weg hat sich gelohnt.

Ähnlich ist es beim Schreiben.
Nicht jeder, der Klavierstunden nimmt, will Pianist werden.
Und nicht jeder, der ein Buch schreiben möchte, will künftig als Autor arbeiten.
Dennoch: Egal, welche Motivation einen antreibt, so wie man durch Musikunterricht schneller Klavier spielen lernt, können Schreibkurse das nötige Handwerk vermitteln, das beim Schreiben hilft.

Bereits seit einiger Zeit veranstalte ich sehr erfolgreich Kurse im kreativen Schreiben für Kinder. Dann wurde an mich die Bitte herangetragen, meine Kurse auch Erwachsenen anzubieten.

Da ich aus eigener Erfahrung weiß, wie eng unser Zeitrahmen manchmal ist und wie schwer es gerade für Berufstätige ist, neben dem Broterwerb noch einen abendfüllenden Kurs zu besuchen, habe ich mich für den Erwachsenenbereich zunächst für ein Online-Kurs-Angebot entschieden. 

Aus all dem ist jetzt die Schreibwerk-statt entstanden. Mein Angebot für Euch mit Kursen für Erwachsene, Kinder und Schulen. 
Schaut einfach mal vorbei!



1. Juni 2014

"Branche ohne Wert"

Mit seinem Kinderbuch "Die Milchpiraten" hat es mein Agenturkollege Kai Lüftner in den Leipziger Lesekompass 2014 geschafft. Und auch sonst hat der Mann, der sich selbst den vielleicht gefährlichsten Kinderbuchautor Deutschlands nennt, einiges zu bieten. 
Wie viele Kinderbuchautoren beschäftigt auch Kai Lüftner ein Thema ganz besonders: Der Wert der Kinderbuchbranche. Ich habe meinem persönlichen Unmut zu diesem Thema in meinem Blog schon oft Luft gemacht. Sei es der Rausschmiss des Kinderbuchs vor einigen Jahren aus dem Feuilleton der ZEIT, sei es die Missachtung deutschsprachiger Kinder- und Jugendliteratur beim Deutschen Jugendliteraturpreis. Sei es die miserable Vergütung von Kinder- und Jugendbuchautoren im Vergleich zu ihren Kollegen im Erwachsenenbuchbereich.  Oder sei es einfach nur die Frage "Wann schreibst du endlich mal ein richtiges Buch?" Der nicht vorhandene Stellenwert des Kinderbuchs in der Literaturbranche ist offensichtlich. Da sind wir uns einig. Und letzte Woche ist Kai offensichtlich der Kragen geplatzt. Er hat er via Facebook einen offenen Brief geschrieben, der uns alle angeht. Und mit dem er offensichtlich in ein Wespennest gestochen hat. Auf meine Frage, ob ich den Brief veröffentlichen dürfe, schrieb mir Kai, dass er auch nicht im Ansatz geahnt habe, welchen Wirbel dieser Brief auslösen würde, sonst hätte er sich mehr Mühe gegeben.
Ich bin heilfroh, dass Kai von dem Wirbel nichts ahnte. Denn so ist der Brief wie Kai Lüftner auch: Spontan, authentisch, erbarmungslos ehrlich. 
Ich kann nur sagen: Gut gebrüllt, Herr Lüftner!
© Michael Rahn

Und hier - mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors der Offene Brief von Kai Lüftner
Das große Klein-Gemache
oder: eine Branche ohne Wert!
Guten Tag.
Mein Name is Kai. Ich bin seit ca. drei Jahren sowas wie ein Autor, ein Kreativitäter der sich für die Zielgruppe Kind entschieden hat. Und irgendwie hab ich grad voll Erfolg und so – mehrere Bücher bei verschiedenen Verlagen, Preise, Auslandslizenzen, Hörbücher, Musik-CDs und ne Planungssicherheit für die nächsten drei – vier Jahre! Wow, oder?
Ja, alles cool eigentlich! Nich hinterfragen, sondern dankbardankbardankbar sein und einfach genauso weitermachen! Hinter der Doppeldeckung den Rückenwind genießen, so lange er weht. -
Is mir aber leider irgendwie nich möglich! Denn hier läuft gewaltig was schief!
Ich komme vom Hörbuch, hab u.a. für Comedians und TV-Produktionsbuden geschrieben, war als Redakteur für Radio oder Printmedien tätig. Und was soll ich sagen? – Es waren fast alles Scheißjobs, gegen die ich mich letztlich ganz bewusst entschieden hab!
Aber, Momentchen, jedes einzelne mal hab ich trotzdem besser verdient als jetz, wo ich meine eigenen Inhalte kreiere. Inhalte für Kinder. Für das Wichtigste im Leben! Oder?
Ähm, hat meine Arbeit denn eigentlich einen Wert wenn sie so schlecht vergütet wird? Für die Zielgruppe? Die Verlage? Mich selbst?
Das Thema ist nich neu. „Erfolgreich, aber arm!“ titelte gerade erst einNDR-Bericht, indem unter anderem meine geschätzte Kollegin Antje Herden tief über die raue Wirklichkeit für uns Kinderbuchautoren blicken ließ. Aber durch is das Thema noch lange nich, denn man hat noch ein paar wesentliche Punkte außer Acht gelassen, finde ich!
Als es hieß, ich würde in eine große deutsche Talkshow eingeladen, sind Menschen, die seit Jahrzehnten in Presseabteilungen von Verlagen arbeiten, beinahe kollabiert. Das gab es ja noch nie! Wahnsinn! Einer „unserer“ Autoren? Im Fernsehen? – Ehrlich, als diese Nachricht so langsam durchsickerte, war das wie ein Paukenschlag in der Branche. Am Anfang hab ich das gar nich so richtig registriert, sondern einfach nur hingenommen – aber die Dimension dieses Ereignisses und die damit verbundene Aufregung hat mich rückblickend wirklich erschrocken – und vor allem zum Nachdenken gebracht.
Es scheint ganz normal zu sein:
Jeder Vollhorst, der mal n Stoppschild bei „GZSZ“ oder in der Lindenstraße gespielt und dann – unvermeidlich – seine Biographie oder einen Selbstverwirklichungs-Ratgeber veröffentlicht hat, wird durch alle existenten Talkshows gejagt und bekommt seine ihm offenbar zustehende Portion Öffentlichkeit.
Bamm, zwei Wochen Power-Promo später hat sich selbst der größte Rotz 20000 mal verkauft! Herzlichen Glückwunsch, Zweit- und Drittauflage – Bestseller – Dankeschön!
Wir Kinderbuchautoren sind schon stolz wie Bolle, wenn wir mal im regionalen offenen Kanal kurz unser neues Werk präsentieren dürfen und nach einer Lesung in der Bibliothek von Klein Kleckersdorf drei signierte Exemplare aus unserem Bücherkoffer verscherbelt haben. Als Gimmicks noch die selbstfinanzierten Lesezeichen oder Autogrammkarten für die Kinder – und darauf hoffen, dass es im Backstagebereich noch Kaffee und Käsebrötchen gibt.
Das is übertrieben? Nich im Geringsten! Alles immer schön kleinklein. Und sich die ganze Zeit bewusst machen, in was für einer privilegierten Situation man is. – Hey, wir dürfen Kinderbücher schreiben, während andere richtig arbeiten müssen. Alles klar?
Und wo sind eigentlich die Stars der Branche? Wo sind die Gesichter zu den Namen derer, die erfolgreiche Titel produzieren? Wen kennt man denn noch, wenn man nich Händler, oder Blogger oder Verlagsmitarbeiter is?
Die alten Recken des Kinderbuchs klingen den meisten noch im Ohr: Michael Ende, Astrid Lindgren, Paul Maar, Ottfried Preussler, James Krüss, Enid Blyton, Erich Kästner – allesamt Stars! – Aber das is doch schon Jahre her! 10? 15? 20? Ich weiß es nich genau.
Heute fallen einem vielleicht noch Cornelia Funke, Kirsten Boje oder Andreas Steinhöfel ein. Wobei ich mir da nich mal wirklich sicher bin. – Und selbst diese Erfolgsautoren können vermutlich vollkommen unerkannt im Bademantel Brötchen holen gehen. WIESO KÖNNEN SIE DAS? Wie is das möglich?
Während Herr Schätzing Schlüppa-Werbung macht, Herr Hohlbein ne eigene Doku-Soup im Privatfernsehen bekommt und Herr Fitzek sowieso n Popstar is, verdienen Jugendliteraturpreis-Gewinner ihren eigentlichen Lebensunterhalt als Synchronsprecher, geben Schreib-Workshops oder sind das ganze Jahr auf Tour, um über die Runden zu kommen!
Da platzt mir doch echt ne Ader!!!
Ich möchte brüllen: Hallo, hier sind wir! Die Frauen und Männer, die die Inhalte schreiben, die eure Kinder lesen! Meistens sogar gerne! Is es echt nich interessant, wie wir die Welt sehen, oder was wir über das Schreiben hinaus zu sagen haben? Is die Meinung eines Schauspielers, einer Nachrichtensprecherin, eines Pop-Musikers wirklich kategorisch so viel interessanter als unsere?
Ehrlich?
Ich hab allerdings auch das Gefühl, ein Teil dieses nicht zu leugnenden Zustandes resultiert aus der Selbstwahrnehmung der Branche selbst. Sorry, ich will niemandem zu nahe treten, aber wann habt ihr euch das letzte mal breit gemacht für „eure Kunst“ oder „unsere Sache“?
Wer legt sich mit seinem Verlag an, wenn der die Prozente runterschraubt, irgendwelche Rechte über das Buch hinaus auf Lebenszeit besitzen möchte, Vorschüsse halbiert oder einfach mal nichts für das Produkt tut, nachdem es erschienen is? Wer?
Ein großer Verlag für den ich arbeite war es scheinbar überhaupt nich gewöhnt, dass man die von ihm ausgestellten Vertragsangebote mit Anmerkungen zurück schickt. Das kannten die schlicht und ergreifend nich.
Einer meiner Lieblings-O-Töne aus unser schriftlichen Korrespondenz, als ich den Vertrag nach Prüfung durch meinen Medien-Anwalt zum dritten Mal zurückschickte und auf gewisse Dinge bestand: „Man könnte anhand Ihres Verhaltens vermuten, Sie wollen gar nicht bei uns veröffentlichen!“
Doch, lieber Verlag, will ich! Sehr gern sogar! Ich will nur auch was davon haben! Ich möchte zum Beispiel die Hörbuchrechte behalten! Bei ein paar hundert angebotenen Euro Vorschuss, sollte man doch noch ein paar hundert Euro mehr aushandeln dürfen! Und nein, ich möchte nicht kategorisch meine Rechte an allen noch nicht bekannten Nutzungsmedien abtreten!
Vor allem, wenn ein Buch in der Herstellung so günstig is, wie ein Kinderbuch (billiger Autor, billiger Illustrator, billige Produktionskosten im Ausland), muss man sich als Verlag auch nich wirklich ins Zeug legen. Die paar Tausend Euro werden schon irgendwie wieder eingespielt – und wenn nich, egal! Versendet sich und macht sich ganz gut in der Backlist. Wird halt der nächste Autor ausprobiert, kein Ding!
Außerdem haben wir Kinderbuchschreiber auch scheinbar längst irgendwie akzeptiert in Nischen statt zu finden, außerhalb des Feuilletons und unterhalb des Wahrnehmungsradars der relevanten Medien. Eine positive Amazon-Rezi is uns schon mal ein Facebookposting wert! Hey, wenn andere nich über uns sprechen, müssen wir es eben selber machen!
Kürzlich zufällig mal Kinderradio gehört? Der einzige relevante und explizite Sender, den es gibt, spielt zu 50% Chart-Musik. Also Erwachsenen-Charts!
Es gibt eine einzige Sendung über Kinderliteratur im deutschen Fernsehen! EINE! EINZIGE!
Hey, schau mal, ne dreizeilige Besprechung meines neuen Buches im kostenlosen Magazin der deutschen Bahn! Wahnsinn!
Das Land der Dichter und Denker verscherbelt seine Kinderbuchautoren am Krabbeltisch. Und wir basteln uns auch noch unsere Sonderangebots-Schildchen selber.
Mann ey, lasst mal was machen! Wenigstens mit der Faust auf den Tisch hauen und kund tun, dass wir das mitbekommen, was hier mit uns abgezogen wird. Wir müssen echt aufhören uns so klein zu machen, sonst sind wir so klein wie sie uns gerne hätten. Die Verlage brauchen uns mehr, als wir die Verlage.
Verkauft euch nich unter Wert! Macht euer Ding – und das zu euren Bedingungen! Im Team zwar, aber als gleichberechtigte Partner, nich als Bedarfsschreiber! – Das klingt einfacher als es is? Stimmt nich – es is einfacher als es klingt.
Habt euch lieb! Ich tue es!
Kai