Mit dieser Frage muss sich meine Romanheldin Anna - eine Heldin ist sie eigentlich so gar nicht - seit 300 Seiten auseinandersetzen. Und sie findet keine Antwort.
Alles was sie findet, ist das Geräusch fallender Erde auf den Sarg und ein Bild von Blumen in ihrem Kopf. Weiße Rosen. Ein Meer aus weißen Rosen, in denen sie zu ertrinken droht.
Von uns Autoren bleiben unsere Bücher. Sofern wir das Glück hatten, welche zustande zu kriegen. Veröffentlicht zu werden. Oder selbst veröffentlicht zu haben.
Kann dieses Wissen beruhigen?
Jakob Arjouni soll auf die Frage, wie er einmal sterben möchte, geantwortet haben: Überhaupt nicht.
Jetzt ist er tot. Zu früh, schreiben die einen. Seine Bücher bleiben, sagen die anderen.
Kafka wollte nicht, dass seine Werke nach seinem Tod veröffentlicht werden.
Sein Freund und Kollege Max Brod hat es dennoch getan.
Den Kafka, den wir heute kennen, gäbe es ohne diesen Ungehorsam gegen seinen letzten Willen nicht. Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin Max Brod dankbar dafür, dass er diese Entscheidung getroffen hat.
Aber Kafka? Ob er sich eher gewünscht hätte, im Leben gekannt zu werden, statt erst im Tod?
Einer stirbt öffentlich. Seit Monaten. Wolfgang Herrndorf.
Das kannst du doch nicht schreiben, sagt ein Freund. Stirbt öffentlich.
Warum nicht? Tun wir doch alle. Öffentlich sterben.
Wir Blogger, wir Facebooker, wir Twitterer.
Jeder Blogbeitrag, jedes Facebook-Posting, jeder Tweet bringt uns dem eigenen Tod ein Stückchen näher.
Was bleibt?
Zumindest ein Facebook-Account. Ist es das, was uns so verzweifelt am Netz festhalten lässt?
Der Wunsch, dass etwas bleiben möge?
Mehr als Blumen. Erde. Und der ganze Scheiß. (Wolfgang Herrndorf, 18.1.2013, 16:37)
Ich mache mir einen Kaffee und dann gehe ich Anna besuchen. Auf Seite 345. Und dann sprechen wir darüber, was wirklich bleibt. Oder vielleicht doch besser darüber, was ist. Jetzt.
1 Kommentar:
Deine ehrlichen Worten haben mich zum denken verleitet. Danke dafür.
LG Sheena
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