23. Oktober 2016

Uns gehts wohl zu gut







Lasst diese Bilder einmal kurz auf euch wirken.
Ich habe euch nicht etwa meinen Großeinkauf vom letzten Wochenende fotografiert. Oder - genau genommen ist es exakt das. Nur dass mich dieser Einkauf keinen Cent gekostet hat.
Was ihr auf den Fotos seht, sind Lebensmittel, die ich mir über die Organisation Foodsharing von einem sogenannten Fairteiler geholt habe.
Mit anderen Worten: Diese Lebensmittel auf meinem Küchentisch wurden von verschiedenen Lebensmittelmärkten "entsorgt".
Ich schreibe bewusst "entsorgt", weil das auf dem Foto alles Lebensmittel sind, die unter "normalen" Umständen im Müllcontainer gelandet wären. Der ganze Küchentisch liegt voll mit aussortierter, entsorgter Ware. Dass die Sachen nicht im Müllcontainer landeten, haben sie nur engagieren sog. Foodsavern der Organisation Foodsharing zu verdanken.
Als Großfamilienmitglied und Mutter von fünf Kindern ist mir unsere Wegwerfgesellschaft ganz besonders im Hinblick auf Lebensmitteln schon lange ein Dorn im Auge, und immer wieder habe ich nach Möglichkeiten gesucht, dem entgegenzuwirken. Anfragen bei Lebensmittelhändlern wurden immer negativ beschieden. Was nicht mehr verkauft wird, wird weggeworfen. Fertig.
Auch wenn es sich um zwanzig frischgebackene Brote in der Backabteilung handelt. Nach Ladenschluss landen die in der Mülltonne.
Illegales Containern - also nachts heimlich die Container wieder ausräumen - kam für mich nicht infrage. Umso glücklicher war ich, als mein Ältester (Student in Frankfurt) mich auf die Foodsharing-Gemeinschaft hinwies.
Foodsharer kann jeder werden. Man registriert sich und bemüht sich, Lebensmittel nicht mehr wegzuwerfen, sondern zu verteilen. Wer Überfluss hat, kann Essenskörbe auf der Online-Plattform einstellen, andere User können sich melden und die Essenskörbe abholen. Alles vollkommen kostenlos und ohne schlechtes Gewissen. Es geht darum, Lebensmittel nicht mehr wegzuwerfen. Das ist das Ziel. Dass man dabei jede Menge Geld spart, ein weiterer positiver Nebeneffekt.
Einen Schritt weiter gehen die Foodsaver. Nach entsprechender Schulung und mit Ausweisen versehen, bemühen sie sich um die Lebensmittelmärkte ihrer Region. Und sammeln ein, was weggeworfen werden soll.
An den "Fairteiler-Stationen" kann man sich die Sachen dann je nach Bedarf abholen, die Information, wann ein Fairteiler wieder gefüllt worden ist, erfolgt via Mail, Facebook oder WhatsApp.

Ich schreibe euch das alles, weil ich nach meinem "Einkauf" beim Fairteiler in meinem Wohngebiet immer noch völlig fassungslos bin. Das alles wäre ohne Foodsaver in der Mülltonne gelandet?
Überlegt einfach mal, welchen Weg zum Beispiel die Mandarinen schon hinter sich haben. Und dann werfen wir sie hier weg. Und warum? Weil die Netze, in denen sie verkauft werden sollten, gerissen waren und die Früchte einzeln in den Regalen lagen. Das gleiche gilt für die Kartoffeln auf dem Foto.
Die Joghurts sind zum Teil seit einem Tag abgelaufen, die meisten Joghurts sind nicht abgelaufen, sondern wurden aussortiert, weil die Viererpacks auseinandergebrochen wurden und so nicht mehr verkauft werden konnten! Die Bratwürstchen auf dem Foto sind noch eine Woche haltbar. Ich habe keine Ahnung, warum sie im Müll landen sollten.

Einerseits bin ich natürlich sehr glücklich über diese neue Methode, wertvolles Haushaltsgeld zu sparen. Andererseits bin ich ehrlich geschockt, wie wir mit unseren Lebensmitteln umgehen. Gewusst habe ich das natürlich schon lange, aber es so bunt und frisch vor mir auf dem Küchentisch zu sehen, war doch nochmal etwas anderes. Und deshalb zeige ich euch diese Fotos.
Wir dürfen so nicht weiter machen. Hier muss endlich was passieren. Ein Umdenken ist dringend erforderlich! Und deshalb bitte ich euch, schaut euch die Seite Foodsharing an, meldet euch an und helft mit, Lebensmittel zu retten, indem ihr sie verbraucht, verteilt und weitergebt, statt sie wegzuwerfen.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für den Beitrag und die beeindruckenden Fotos!
Das erinnert mich an einen Text, den der Autor Francis Nenik vor einigen Monaten geschrieben hat. Er geht (offensichtlich) selbst containern bzw. betreibt Foodsharing und hat seine Erfahrungen dazu aufgeschrieben und in dem Zusammenhang mit Open Access und frien Lizenzen gebracht, mit denen er bei seinen Büchern und Texten arbeitet. Fand ich ganz interessant. http://fiktion.cc/sich-frei-publizieren/

Herzlichst,
Marie

Lilian hat gesagt…

Liebe Jutta,

das sind zwei wirklich extrem unterstützenswerte Organisationen. Super!

Darf ich dennoch fragen, wo zwischen alldem die Tafeln stehen?
Mein Vater leitet die Tafel hier bei uns ehrenamtlich, deshalb bin ich en bisschen "drin". Die Tafeln kooperieren ja ebenfalls mit Supermärkten & Co., holen die ganze Woche über immer wieder Lebensmittel ab, lagern sie ein und verteilen sie - hier einmal wöchentlich - an Bedürftige mit Bedarfsausweis.

Kommen sich dann Foodsaver und Tafeln nicht gegenseitig in die Quere? Denn während Erstere ja jedermann versorgen, stehen die Tafeln nur für bestimmte Personenkreise offen, die sich ihren Bedarf anerkennen lassen müssen. First come, first serve?

Würde mich interessieren. Weißt Du (oder Dein Sohn) da was?

Liebe Grüße!
Lilian

Jutta Wilke hat gesagt…

Liebe Lilian,
hier in Hanau ist es zumindest so, dass die Foodsaver und die Tafeln sich nicht in die Quere kommen, im Gegenteil. Die Foodsaver, die hier unterwegs sind, beliefern vor allem auch die Tafel und auch die Flüchtlingsunterkünfte immer vorrangig. Nur was übrig bleibt, kommt in den privaten Fairteiler.
Der Sinn des Ganzen ist ja auch gar nicht, sich selbst zu bereichern, sondern einfach nur zu verhindern, dass Lebensmittel weggeworfen werden.

Liebe Grüße
Jutta

PS: Wenn du dir die Seite mal anschaust, wirst du viele Foodsaver finden, die komplett alle Lebensmittel zu den Tafeln bringen.

Alice Gabathuler hat gesagt…

Unsere Familie hat das gestern angeregt diskutiert. Wir sind begeistert. Selber schaffen wir es tatsächlich, höchstens mal ein kleines Stück welken Salat oder ein kleines bisschen Brot übrig zu haben, das bedeutet aber auch: Nicht immer die volle Auswahl und vor allem koche ich nach Kühlschrank - bis alles weg ist. Da guckt einem dann schon öfters die gähnende Leere an, wenn man den Kühlschrank öffnet. Das geht wahrscheinlich einfacher mit erwachsenen Kindern.

Auf jeden Fall findet unsere ganze - erweiterte - Familie die Foodsaver klasse!