"Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2015 an Navid Kermani. Der deutsche Schriftsteller, Orientalist und Essayist ist eine der wichtigsten Stimmen in unserer Gesellschaft, die sich mehr denn je den Erfahrungswelten von Menschen unterschiedlichster nationaler und religiöser Herkunft stellen muss, um ein friedliches, an den Menschenrechten orientiertes Zusammenleben zu ermöglichen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten, in denen er Fragen der Mystik, der Ästhetik und der Theodizee insbesondere im Raum des Islam nachgeht, weisen Navid Kermani als Autoren aus, der mit großer Sachkenntnis in die theologischen und gesellschaftlichen Diskurse einzugreifen vermag. Die Romane und Essays von Navid Kermani, insbesondere aber auch seine Reportagen aus Krisengebieten zeigen, wie sehr er sich der Würde des einzelnen Menschen und dem Respekt für die verschiedenen Kulturen und Religionen verpflichtet weiß, und wie sehr er sich für eine offene europäische Gesellschaft einsetzt, die Flüchtlingen Schutz bietet und der Menschlichkeit Raum gibt.“ (Quelle: www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de)
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Der Deutsch-Iraner Navid Kermani hat diesen Preis mehr als verdient. Er hat auch den Hessischen Kulturpreis verdient, der ihm 2009 zunächst angetragen, dann wieder aberkannt, dann aber doch verliehen worden ist. Grund für diesen Hickhack war ausgerechnet ein Kardinal - Kardinal Lehmann, ebenfalls einer der vier Preisträger, sah sich außerstande, den Preis gemeinsam mit Kermani entgegenzunehmen und wandte sich an den Ministerpräsidenten, der den Preis zunächst auch wieder aberkannte. Hiervon erfuhr Kermani seinerzeit aus der Presse, nicht etwa aus dem Ministerium. Der Grund Lehmanns: Ein Feuilleton-Artikel Kermanis in der NZZ über ein Kreuzigungsgemälde von Guido Reni.
Der Feuilletonartikel ist HIER nachzulesen.
Das monatelange Hin und Her um den Hessischen Kulturpreis - das Preisgeld stiftete Kermani übrigens einer katholischen Kölner Kirchengemeinde - zeigt einmal mehr, wie dringend "Brückenbauer" zwischen den Religionen benötigt werden. Als solchen bezeichnete der damalige hessische Ministerpräsident Koch Kermani in seiner Entschuldigung, zu der Koch sich anlässlich der Preisverleihung in Wiesbaden dann doch genötigt sah.
Der Spiegel nennt Kermani einen republikanischen Geist, der Pathos nicht scheut und Schwärmerei nicht verabscheut, der temperamentvoll streitet, scharf beobachtet und licht und konzise argumentiert. Kermani selbst bezeichnet sein politisches Denken als seinem Wesen nach widerspenstig, indem er das Gewordene stets als Gemachtes entschlüssele. Kermani ist einer, der Gegebenheiten nicht als gegeben hinnimmt, sondern er hinterfragt, sucht nach den Gründen, wie es dazu kommen konnte. Und gibt damit die Schlüssel in die Hand, scheinbar für immer verschlossene Türen wieder zu öffnen.
So hat er in seiner Rede vor dem Bundestag zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes seinen tief empfunden Dank an die Republik, in der er lebt, mit dem Appell verbunden, dass dieses Land seine Verfassung nicht nur ernst nehmen, sondern auch praktizieren soll: "Ein wundervoll bündiger Satz - 'Politisch Verfolgte genießen Asylrecht' - geriet 1993 zu einer monströsen Verordnung aus 275 Wörtern, die wüst aufeinandergestapelt und fest ineinander verschachtelt wurden, nur um eines zu verbergen: dass Deutschland das Asyl als ein Grundrecht praktisch abgeschafft hat."
Kermani macht es seinen Lesern und denen, die ihm zuhören, nicht immer einfach. So hat er sich z.B. gegen das Urteil des Landgerichts Köln gewandt, das die Beschneidung von Kleinkindern verbot.
Kermani verurteilte auch die Volksabstimmung zum "Minarettverbot" in der Schweiz. Dies sogar weniger als Unterstützer einer in der Schweiz religiösen Minderheit, sondern vor allem aus der Erkenntnis heraus, dass ein Grundrecht, das zur Abstimmung gestellt wird, damit kein Grundrecht mehr ist.
Navid Kermani ist unbequem. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Kermani sucht die Auseinandersetzung und erreicht damit die Annäherung. Solche "Brückenbauer" brauchen wir.
Und deshalb gratuliere ich der Jury des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, vor allem aber Navid Kermani zu dieser Entscheidung.
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